Seit 2018 werden jährlich 2 Folgen des „Lissabon-Krimi“ in der ARD ausgestrahlt. Der deutsche Schauspieler Jürgen Tarrach spielt in der Hauptrolle den leicht abgehalfterten Anwalt Eduardo Silva, der – ehemals erfolgreicher Staatsanwalt – seine Frau verloren hat und sich seither eher als melancholischer, gesundheitlich angeschlagener, dennoch emphatischer Pflichtverteidiger, durch sein Leben kämpft. Dabei löst er in jeder Folge Fälle, die ihn mal mehr, mal weniger persönlich betreffen. Unterstützt wird Silva von Márcia Amaya, gespielt von der österreichischen Schauspielerin Vidina Popov. Sie übernimmt die Rolle der aufmüpfigen Assistentin und nordet Silva immer wieder ein. Dabei trägt sie gar nicht wenig zum Auflösen der Fälle bei.
Als eine der weiteren Darstellerinnen ist Katharina Pichler in der Rolle der Beatriz Oliveira dabei. Sie ist die Pensionswirtin von Silva und betreibt die „Pension Beatzriz“. Sie gerät zunächst in finanzielle Schwierigkeiten. In der Folge „Der Feuerteufel“ kümmert sich Silva darum, dass Beatriz eine neue Immobilie erhält, die sie als Pension betreiben kann. Und genau um diese „Pension“, aber auch um andere Drehorte, insbesondere in der Folge „Die verlorene Tochter“, soll es in diesem Beitrag gehen.
Lissabon Krimi – gibt es die „Pension Beatriz“ wirklich?
Seit der Folge „Der Feuerteufel“ wohnt Film-Anwalt Silva in der schnuckeligen „Pension Beatriz“ und hilft dort gelegentlich aus. Nebenbei wird über alle Folgen die Beziehung zwischen Silva und der Pensionswirtin Dona Beatriz behutsam etwas enger.
Es liegt die Frage nahe, ob es die Unterkunft als Hotel oder „Pension Beatriz“ wirklich gibt. Die enttäuschende Antwort für alle Fans und Lissabon-Touristen ist schlichtweg: „nein“. Noch „schlimmer“: Die „Pension Beatriz“ befindet sich nicht mal in Lissabon.
Jetzt die gute Nachricht, die Film-„Pension Beatriz“ liegt auf der anderen Seite des Rio Tejo in der Stadt Almada. Und sie kann besucht werden und das lohnt sich sogar.
Über Almada
Almada ist das Zentrum des gleichnamigen Kreises und der wiederum gehört zum Distrikt Setubal. Rein verwaltungstechnisch hat der Drehort damit nichts mit Lissabon zu tun. Tatsächlich sind Almada und die umliegenden Orte stark Richtung Lissabon orientiert und von der portugiesischen Hauptstadt abhängig. Täglich pendeln zig-Tausende Menschen zwischen beiden Ufern des Rio Tejo.
Die bekannteste Sehenswürdigkeit Almadas ist die im Ortsteil Pragal stehende und in Lissabon weithin sichtbare Christo Rei Statue. Sie hat sich als Touristenattraktion zu einem Wahrzeichen Lissabons entwickelt und beschützt auch diesen Blog vor Ungemach.
In den Lissabon-Krimis wird die Christo-Rei-Statue regelmäßig genau so prominent platziert, wie die Brücke des 25. April, die Almada mit Lissabon verbindet. Eine – zu Unrecht – weitaus weniger bekannte Attraktion von Almada ist das Casa de Cerca. Und genau das dient als Filmkulisse für die Pension Beatriz in den letzten Folgen des Lissabon-Krimis.
Casa de Cerca in Almada
Beim Casa de Cerca in Almada handelt es sich um einen kleinen Palast mit angrenzenden Parkanlagen. Die Ursprünge gehen bis in das 17. Jahrhundert zurück. Eine Unterkunft wird man hier nicht finden.
Das weiträumige Anwesen dient seit 1993 als örtliches Kulturzentrum und bietet neben wechselnden Ausstellungen ein Café, einen kleinen botanischen Garten und viele Fotomotive.
Von der Terrasse des Cafés hat man einen grandiosen Ausblick auf das gegenüber liegende Lissabon und die Brücke des 25. April. Die Terrasse dient im Lissabon-Krimi immer wieder als Treffpunkt und „Arbeitsplatz“ von Silva. Auch das Eingangstor und der Innenhof mit den beiden seitlichen Treppen sind im Film zu sehen. Das existierende Café hat wiederum mit dem im Film nichts zu tun – abgesehen von der Terrasse. Die Rezeption mit Café im mittleren Teil des Gebäudes wurde wohl als Filmkulisse aufgebaut.
Weitere Drehorte
Das Ufer des Rio Tejo unterhalb von Almada
Vom Casa de Cerca führt die kleine Straße „Olho de Boi“, nach unten zu den Ufern des Tejo. Auf dem Weg kommt man bald am oberen Eingang des Aufzugs „Boca de Vento“ vorbei, erkennbar an der sich dort befindlichen, recht modernen Bar „Boca do Vento – Cocktail Bar e Tapas“. Hier spielt eine kurze Szene in „Die verlorene Tochter“ (ca Minute 62).
Unten angekommen (zu Fuß, nicht Fahrstuhl) landet man im kleinen, heruntergekommenen ehemaligen Hafengelände Cais do Ginjal. Mit den verrosteten Kränen und ehemaligen Lagerhallen ist dieser „Lost Place“ ein Eldorado für Angler und Fotografen. In dieser Gegend spielen sich weitere Szenen des Lissabon Krimis „Die verlorene Tochter“ ab. Gleich am Anfang wird hier das Mordopfer von jungen Frauen mit eindeutig geschäftlichen Interessen angesprochen. In der Realität wird man(n) mit solchen Intentionen hier ziemlich einsam bleiben.
Dort trifft in einer alten Lagerhalle Silva das erste Mal auf den Freund seiner Tochter (ca. Minute 30). In der Folge gibt es weitere Szenen, die hier gedreht wurden, z.B. als sich Silva im Transporter der Aktivisten versteckt (42. Minute) und das Finale zum Filmende.
An gleicher Stelle spielt z.B. auch die „Schachszene“ am Anfang der Folge der Folge „Die Tote in der Brandung“.
Costa da Caparica
Costa da Caparica ist ein Ort und gleichbedeutend ein Strand südlich von Lissabon. Vor allem die südlichen Strandabschnitte außerhalb des Ortes sind einen Besuch wert. Costa da Caparica gehört zum Kreis Almada und ist ein aufgrund der Strandlage touristisch nicht unbedeutend.
Im Lissabon-Krimi „Die verlorene Tochter“ wurden hier die „Flashbacks“ des Anwalts Silva, zusammen mit seiner Tochter gedreht. Die sind im Film mehrfach zu sehen, fast immer nur mit Strand, Meer, Wellen. In einer kurzen Szene ist verschwommen der Ort Costa da Caparica im Hintergrund zu erkennen.
Das Gefängnis
In der Folge „Die verlorene Tochter“ spielen sich auch Szenen im Gefängnis ab. Dabei verlassen Márcia Amaya und Eduardo Silva das Gefängnis (ab ca. Minute 38), in dem sie zuvor einen kleinen Drogendealer befragt haben. Während Silva panisch mit einem Taxi davon fährt, wird er von einem Motorradfahrer verfolgt. Später spielt hier eine weitere Szene (ca. Minute 68).
Wie im Film zu sehen ist, liegt das „Gefängnis“ am Ufer des Tejo. Tatsächlich gibt es in ganz Lissabon und Umgebung kein Gefängnis in so „idyllischer Lage“. Es handelt sich um den Seiteneingang einer Militärschule der portugiesischen Marine. Diese befindet sich mit dem Marine-Hafen und weiteren militärischen Einrichtungen im Ort Laranjeiro, der ebenfalls zum Kreis Almada gehört.
Torrão 2º – die „Favela“
Torrão 2º (oder Segundo Torrão) ist ein Elendsviertel westlich des Ortes Trafaria. Auch das liegt im Kreis Almada und befindet sich kurz vor der Mündung des Tejos. Hier spielen immer wieder Szenen des Lissabon-Krimis, vor allem in der Folge „Die verlorene Tochter“. In der harten Realität hat dieses Viertel einen Charakter, der eher an eine brasilianische Favela erinnert, oder an einen Slum irgendwo in dieser Welt. Hier wohnen – wie im Film angedeutet – Menschen unter sehr prekären Verhältnissen.
„Hier leben Menschen, die nicht gefunden werden wollen“ sagt dann auch die „Assistentin“ Márcia Amaya in ca. Minute 19. Genau das Gegenteil ist der Fall, dort leben – in der Realität – Menschen, die Unterstützung benötigen. Es ist ein Beispiel dafür, dass das Sozialwesen in unserer EU leider nicht (überall) funktioniert und es in manchen Ländern / Orten immer noch solche desaströsen Lebensumstände gibt.
Während ich die bisher genannten Drehorte gern für einen Besuch empfehle, rate ich – aus Respekt vor den dort lebenden Menschen – von einer Tour nach Torrão 2º dringend ab. Die Dreharbeiten hier fanden unter Polizeischutz statt, wie Hauptdarsteller Jürgen Tarrach erwähnt. Sicher sind die Einwohner hier kaum mehr kriminell als anderswo, werden aber immer wieder kriminalisiert. Sie benötigen vieles, am wenigsten allerdings mit (Smartphone-)Kameras bestückte Touristen, die in ihr ohnehin schon schwieriges Lebensumfeld eindringen.
Fazit
Selbstverständlich gibt es im Lissabon-Krimi Szenen, die augenscheinlich in Lissabon gedreht wurden. Wer sich jedoch auf die Spuren des Lissabon-Krimis „Die verlorene Tochter“ begeben möchte, ist gut beraten, die Seite zu wechseln und sich auf dem gegenüber liegenden Ufer des Rio Tejo in Almada umzusehen. Ein Großteil der Folge „Die verlorene Tochter“ wurde eben nicht in Lissabon gedreht.
Auch für Nicht-Fans der Filmreihe bieten das Casa de Cerca und die verfallenen Lagerhäuser am Ufer des Tejos spannende Einblicke und vor allem einmalige Fotomotive. Zudem ist Almada nicht so überlaufen wie Lissabon und bietet – neben den genannten Sehenswürdigkeiten – eine Vielzahl vorzüglicher Restaurants.
Weitere Infos
Die Erstausstrahlung der aktuellsten Folge „Die verlorene Tochter“ erfolgte am 26.11.2020 als „Donnerstagskrimi“ bei der ARD und ist noch bis Ende Mai 2021 in der ARD-Mediathek kostenlos neben weiteren Folgen des Lissabon-Krimis abrufbar.
Das Casa de Cerca kann dienstags bis sonntags zwischen 10:00 und 18:00 besichtigt werden. In dieser Zeit haben auch das angegliederte Café „Coisas Degostar“ sowie der botanische Garten geöffnet. Montags und an Feiertagen ist das Casa de Cerca geschlossen. Einzelne Ausstellungen können abweichende Öffnungszeiten haben. Auch Corona-bedingt kann es zu Abweichungen kommen. Komplett geschlossen bleibt das Casa de Cerca vom 24. bis 28. Dezember 2020 sowie vom 31. Dezember 2020 bis 4. Januar 2021. Der Eintritt ist frei.
Wer sich für das Viertel Torrão 2º interessiert, dem sei dieses Video wärmstens empfohlen (Untertitel in Englisch).
Anmerkung: Wenn nicht anders angegeben betreffen alle (Minuten-)Angaben die Folge „Die verlorene Tochter“ der Lissabon-Krimi-Reihe.